DIE ENGEL HABEN DIR ZUGEHÖRT


Wie weit und hell glänzend der Himmel war! Ein unendliches All! Tausende, vielleicht Millionen von größeren und kleineren

Sternen schmückten das Firmament. Es schien, als ob sie ganz dicht beieinander wären, und dennoch berührte kein Stern den

anderen. Einer strahlte wunderbar hell, während ein anderer so aussah, als ob sein Licht gleich erlöschen werde. Und unsere Erde?

Sie war in diesem unendlichen Weltall nicht mehr als ein Stäubchen. Auch sie schien, wie die anderen Sterne, in dieser gewaltigen Leere dahinzuschwimmen. Ohne irgendeinen stören den Zwischenfall schwebte sie seit Millionen von Jahren harmo nisch durchs All. Wozu all diese maßlos berauschende Schönheit? Und für wen?

Das Wiehern seines Pferdes neben ihm schreckte Usayd aus seinem tiefen Grübeln auf. Er schaute sich um, ob jemand käme, doch es war niemand zu sehen. Er versuchte, zu seinen Gedanken zurückzukehren, aber er konnte sich nicht mehr konzentrieren.

Das faszinierende Bild, das er sich gerade noch im Geiste ausgemalt hatte, war verschwommen. Doch ein unbeschreibliches Gefühl blieb zurück. Es schien ihm, als sei er dem Geheimnis der Erschaffung des Weltalls nähergekommen. Immer, wenn Usayd solche Gedanken hatte, begann er aus dem edlen Qur’ān zu rezitieren. Usayds Stimme, in der eine tiefe Sehnsucht zum Ausdruck kam, breitete sich in Wellen aus und stieg empor zum Himmel. Das gewaltige Weltall war in Stille gehüllt. Kein Laut war zu hören. Steine, Erde, Bäume, Käfer und Insekten, alles schien Usayds Qur’ān-Rezitation zu lauschen.

Doch plötzlich bäumte sich sein Pferd auf und wieherte laut. Erschreckt unterbrach Usayd seine Rezitation. Er schaute nach, ob irgend etwas mit dem Pferd nicht in Ordnung war. Was war es nur, das sein Pferd derart aufgeschreckt hatte? Es war niemand zu sehen und so band er das Pferd wieder an, wobei er die Zügel

diesmal noch sorgfältiger befestigte als zuvor. Erneut begann er, den edlen Qur’ān zu rezitieren. Doch kaum hatte er begonnen, verhielt sich sein Pferd genau wie zuvor, bäumte sich auf und wieherte. Wieder unterbrach Usayd seine Rezitation und fragte sich, was wohl sein Pferd beunruhigte, dass es ohne ersichtlichen Grund derart wild wurde? In diesem Moment hob er zufällig seinen Kopf und schaute zum Himmel. „O Allāh! Was war denn das?“ Eine Wolke, in der glitzernde Lichter aufleuchteten, stieg empor und entschwand. Usayd begann zu zittern. Sein Herz pochte wie wild. Er wollte seinen Augen nicht trauen, starrte weiter zum Himmel hinauf und fragte sich, ob das alles vielleicht nur eine Einbildung sei? Bei Tagesanbruch suchte er als Erstes unseren ehrwürdigen Propheten (Allāh segne ihn und schenke ihm Frieden) auf.

Er erzählte ihm genau, was in der Nacht geschehen war. Dabei berichtete er ihm, er sei so aufgeregt gewesen, dass er nicht einmal mehr den Qur’ān rezitieren konnte. Unser geliebter Prophet lächelte Usayd an und sagte: „O Usayd! Warum hast du nur mit der Rezitation aufgehört? Was du gesehen hast, waren die Engel, die kamen, um deiner Qur’ānRezitation zu lauschen. Wenn du weiter gelesen hättest, wären sie nicht verschwunden und am Morgen hätte sie jeder sehen können.“

Usayd war überrascht und empfand ein Gefühl großer Freude, das ihn gleichzeitig zum Weinen rührte.

„Das heißt, die Engel sind tatsächlich gekommen, um meiner Qur’ān-Rezitation zuzuhören?“, sagte er und spürte, wie eine tiefe innere Ruhe über ihn kam.

Ungeduldig wartete er auf die nächste Nacht, in der Hoffnung, die Engel würden sich ihm noch einmal zeigen. Mit seiner wunderbaren Stimme, die der einer Nachtigall glich, rezitierte er stundenlang den Qur’ān. Doch von den Engeln konnte er keine Spur entdecken. Auch in der folgenden und der darauf folgenden

Nacht rezitierte er Stunde für Stunde. Viele Nächte, Monate und Jahre vergingen und Usayd rezitierte und rezitierte. Die Engel, die ihm vor Jahren in Form einer Wolke erschienen waren, sah er niemals wieder, doch immer, wenn er den Qur’ān rezitierte, spürte er deutlich die Gegenwart der Engel in seiner Nähe.