DAS SEGEN BRINGENDE KIND


Es drohte bittere Not. Monatelang war kein einziger Tropfen Regen auf die Stadt Mekka gefallen. Die Blätter verdorrten, hier und dort spaltete sich der Boden vor Trockenheit und die Tiere gingenzu Grunde. Auch die Menschen warteten verzweifelt auf Trinkwasser. Zu jeder Tageszeit konnte man die Bewohner Mekkas beobachten, wie sie, in der Hoffnung eine noch so kleine Wolke zu entdecken, mit den Augen die entferntesten Winkel des Himmels absuchten. Doch Tage und Wochen vergingen, ohne dass sich ein Blatt regte. Mekka trocknete immer weiter aus und alle Hoffnung schien verloren.

Die Bewohner Mekkas waren verzweifelt. Was sollten sie tun?

Wen sollten sie um Hilfe bitten? Wenn diese schreckliche Dürre anhielt, drohte ihnen allen das Ende. Ihre einzige Hoffnung war ‘Abd al-Muttalib, an ihn konnten sie sich wenden und ihn bitten,einen Weg zur Rettung aus dieser Situation aufzuzeigen.

‘Abd al-Muttalib zählte zu den führenden Persönlichkeiten Mekkas und genoss auf der gesamten Arabischen Halbinsel und sogar in den angrenzenden Gebieten hohes Ansehen. Er war überall beliebt und allseits geschätzt und viele Menschen wandten sich, wenn sie in Not waren, an ihn, um mit seiner Hilfe einen Ausweg zu finden.

‘Abd al-Muttalib zeigte sich sehr besorgt. Schweigend hörte er sich das Anliegen der Bewohner Mekkas, die persönlich bei ihm vorsprachen, an. Dann dachte er lange Zeit intensiv nach.

Schließlich sagte er: „Wir müssen alle gemeinsam unseren Herrn bitten. Wir müssen Ihn anflehen. Sagt allen Bescheid: Morgen, wenn die Sonne im Zenit steht, werden wir auf den Berg Abū Qubays steigen und um Regen bitten.“

Am nächsten Tag versammelte sich die gesamte Bevölkerung der Stadt, Groß und Klein, auf dem Berg Abū Qubays. Als ‘Abd al-Muttalib zusammen mit seinem geliebten Enkel erschien, scharten sich alle um ihn.

Der Himmel war strahlend blau. Die Sonne brannte mit aller Kraft auf die Erde herab. ‘Abd al-Muttalib schaute auf die weinenden Kinder, die jammernden Frauen, die Menschen mit aufgesprungenen Lippen und gebeugten Köpfen;  dann wandte er sein Gesicht der Ka‘ba zu. Er nahm seinen kleinen Enkel auf den Arm, hob ihn in die Höhe und begann zu flehen: „O Allāh, um dieses Kindes willen gewähre uns ergiebigen Regen!“

Nach kurzer Zeit zeigte sich fern am Horizont eine winzig kleine Wolke. Je näher sie Mekka kam, desto mehr weiße Wolken zog sie hinter sich her. Auf einmal verdunkelte sich der Himmel und es begann in Strömen zu regnen.

Die Kinder waren außer sich vor Freude und feierten den Regen, den sie Monate lang sehnsüchtig erwartet hatten. Die Freudentränen der Menschen mischten sich mit den Regentropfen. Die verbrannte Erde sog sich mit Wasser voll, die Vögel begannen wieder zu zwitschern.

Ganz Mekka war wie neu geboren.

‘Abd al-Muttalib nahm seinen Enkel auf den Arm und betrachtete mit Freudentränen in den Augen die Regentropfen, die langsam am Fenster herunterliefen. Er wusste genau, dass dieser Regen zu Ehren seines Enkels Muhammad (s.a.v) gesandt worden war.

Mehr als je zuvor war er nun davon überzeugt, dass sein Enkel einmal zu einer bedeutenden Persönlichkeit werden würde. In der Tat wurde dieses Segen bringende Kind viele Jahre später von Allāh zum Propheten auserkoren und brachte der Welt wieder Glück und Frieden. Doch leider war es seinem Großvater ‘Abd al-Muttalib nicht vergönnt, diese wunderbare Zeit mitzuerleben.